Bewusstsein by Christof Koch

Bewusstsein by Christof Koch

Autor:Christof Koch
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783662617328
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg


Das Diagramm zeigt für die dargestellten Arten eine monoton steigende Beziehung zwischen Intelligenz und Bewusstsein. Organismen mit größerem Gehirn sind intelligenter und auch bewusster als Arten mit kleinerem Gehirn. Bewusster im Kontext der IIT bedeutet mehr intrinsische, irreduzible Ursache-Wirkung-Kraft, mehr Distinktionen und mehr Verknüpfungen. Derselbe Trend könnte auch zutreffen, wenn man Individuen innerhalb einer beliebigen Art vergleicht.12

Ausnahmen von dieser Beziehung zwischen Intelligenz und Bewusstsein bilden cerebrale Organoide. Dabei handelt es sich um dreidimensionale Zellverbände, die sich von menschlichen induzierten pluripotenten Zellen (humanen Stammzellen) ableiten und Neurowissenschaftlern, Klinikern und Ingenieuren erlauben, mithilfe einer Handvoll reifer Starterzellen eines einzelnen Kindes oder Erwachsenen Gewebe zu züchten. Reprogrammiert mittels eines Quartetts „magischer“ Transkriptionsfaktoren, differenzieren sie sich anschließend in Inkubatoren und organisieren sich selbst.13 Diese Zellen brauchen viele Monate, um zu elektrisch aktiven corticalen Neuronen und den unterstützenden Gliazellen heranzureifen, etwa genauso lange, wie es braucht, damit sich aus einer befruchteten Eizelle ein menschlicher Fötus entwickelt. Organoide haben ein enormes therapeutisches Potenzial, indem sie dazu beitragen, neurologische und psychiatrische Erkrankungen zu verstehen.14

Bei Kleinkindern bringt der strukturierte sensorische Input von Augen, Ohren und Haut, in Kombination mit den zugehörigen Bewegungen von Augen, Kopf, Fingern und Zehen, die Rückkopplungssignale liefern, mithilfe synaptischer Lernregeln nach und nach Ordnung in das unreife Nervensystem. Auf diese Weise haben wir alle die kausalen Strukturen der speziellen Umwelt erlernt, in die wir hineingeboren wurden. Bislang mangelt es Organoiden noch an all dem. Sobald diese Hürde genommen ist und die Organoide komplexe synaptische Lernregeln exprimieren, ist es möglich, mit dicht gepackten, computerkontrollierten Elektrodenbatterien künstlich strukturierte, externe Reize auf die Organoidkultur zu applizieren und so einen groben und primitiven Entwicklungsprozess zu simulieren.

Angesichts der erstaunlich raschen Fortschritts in der Stammzellbiologie und bei der Gewebezüchtung (Tissue Engineering) werden Bioingenieure bald in der Lage sein, im Labor im industriellen Maßstab Schichten cortexartigen Gewebes zu züchten, das in geeigneter Weise mit Blutgefäßen, Sauerstoff und Metaboliten versorgt ist, um ein gesundes Maß an neuronaler Aktivität aufrecht zu erhalten. Diese corticalen Teppiche, unendlich viel feiner gewoben als jeder Perserteppich, werden ein gewisses Maß an integrierter Information mit einem dazugehörigen irreduziblen Ganzen aufweisen. Die Chance, dass ein solches Gewebe etwas Ähnliches wie das erlebt, was eine Person fühlt – Leid, Langeweile oder eine Kakophonie sensorischer Impulse –, ist gering. Aber es wird irgendetwas fühlen. Um das damit einhergehende ethische Dilemma zu vermeiden, wäre es also am besten, wenn dieses Gewebe narkotisiert würde.15

Eines ist jedoch sicher. Da diese Organoide keinen sensorischen Input oder motorischen Output im herkömmlichen Sinne haben, sind sie nicht in der Lage, mit der Welt zu interagieren; sie werden nicht über Intelligenz verfügen. Ihr Zustand ist mit einem Gehirn vergleichbar, das in einem riesigen leeren Raum träumt, in einen gelähmten und schlafenden Körper. Bewusstsein ohne Intelligenz: Das platziert Organoide in die oberen linken Ecke des I-B-Diagramms.

Wie steht es mit anderen künstlich hergestellten Systemen, vor allem mit programmierbaren digitalen Computern? Kann es bei ihnen bewusstes Erleben geben? Wo ist ihr Platz im I-B-Diagramm? Bevor ich dazu komme, lassen Sie mich zunächst die Stärken und Schwächen der Computationalen Theorie des Geistes erläutern.



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